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Mehr Awareness für Anglizismen, bitte!

Wir zur Lage der Kommunikation – alles tbd. Heute: Corinna Kreiler über (un)nötige Buzzwords.

Corinna Kreiler

Corinna Kreiler

Head of Editorial Content

Ein Kauderwelsch aus Deutsch und Englisch ist in Unternehmen schwer angesagt. Nicht nur in der PR gibt es kaum mehr einen Satz, der ohne ein englisches, ja, Buzzword auskommt. Ein Plädoyer für mehr Achtsamkeit.

„NewBiz-Challenge: Für den Pitch habe ich euch einen Onboarding-Termin eingestellt”. Außerhalb der PR  mag dieser Satz vielleicht Fragen aufwerfen, innerhalb der Blase ist dagegen klar: Ein großer Neukunde klopft an und wir müssen uns überlegen, was wir ihm präsentieren. Warum nicht gleich so? Die PR mit ihrer Liebe zu Anglizismen ist allerdings keine Ausnahme. In den Führungsetagen von fast allen deutschen Unternehmen wird denglisches Kauderwelsch gesprochen. Und just während ich diese Zeilen tippe, erreicht mich ein Newsletter mit dem Betreff „Upskilling und Reskilling. Ihr Deep Dive zur Weiterbildung der Zukunft”. Noch Fragen?

Kurz, präzise, verständlich

Selbstverständlich soll es hier nicht darum gehen, Anglizismen in der deutschen Sprache generell zu verdammen. In einer globalisierten Welt ist Englisch nun mal die dominante Wirtschaftssprache, da bleibt es nicht aus, dass Einflüsse abfärben. In Deutschland haben wir allerdings einen besonders großen Hang dazu, alles auf Englisch auszudrücken, was sich auch auf Deutsch locker sagen ließe: Anglizismen verleihen dem Gesagten eben einen modernen und fortschrittlichen Klang. New York statt Wanne-Eickel. Deutsche Entsprechungen wirken dagegen eher altbacken. Oder warum sonst sprechen viele von „Awareness”, wenn sie schlicht und ergreifend „Aufmerksamkeit” meinen? Der englische Begriff ist weder kürzer, noch präziser oder verständlicher. Und genau um diese Attribute sollte es beim Schreiben oder Sprechen doch eigentlich gehen. Man will ja schließlich nur eins: verstanden werden.

Anglizismen sind schwerer verständlich

Anglizismen stehen der Verständlichkeit allerdings häufig im Weg. Und auch wenn es viele Kolleg:innen und auch Manager:innen von Unternehmen in Deutschland kaum glauben mögen: Die Muttersprache der meisten Menschen in Deutschland ist Deutsch. Englisch versteht nicht jede:r gleich gut. An dieser Stelle spare ich mir längliche Ausführungen über eine Studie zu missverstandenen Werbeslogans aus dem Jahr 2004. Nur so viel: Bei „Come in and find out” werden auch heute noch viele Menschen in Deutschland zuerst an „Kommen Sie herein und finden Sie wieder heraus” denken und „Drive alive” als einen Aufruf verstehen, eine Autofahrt zu überleben. Bei all den tollen englischen Formulierungen vergessen die Sender:innen solcher Botschaften in ihren Blasen nämlich häufig, dass sie damit nicht die Empfänger:innen in ihrer Lebenswelt abholen.

Und genau das ist das Problem. Anglizismen funktionieren immer so lange, wie alle Angesprochen verstehen, was genau gemeint ist. Ein typisches Beispiel ist der im PR-und Marketingsprech beliebte Begriff „Purpose”. Marken brauchen Purpose, heißt es heute immer so schön. Aber was heißt das? Eine Haltung? Ein übergeordnetes Ziel? Entschlossenheit? Wirkung? Ins Deutsche übertragen lässt der Begriff einigen Interpretationsspielraum zu. Auch das ist ein Grund, warum Anglizismen so populär sind: Man drückt sich damit häufig um eine Festlegung. Und hier beißt sich die Katze wieder in den Schwanz: Wenn ein Ausdruck erklärungsbedürftig ist, aber nicht erklärt wird, schadet das der Verständlichkeit.

Häufig stellt man fest: Auf Deutsch lässt sich vieles sogar besser ausdrücken.

Corinna Kreiler, Head of Editorial Content

Der Anglizismus-Check

Daher finde ich es ratsam, sich bei der Verwendung von Anglizismen immer kritisch zu fragen: Ist das wirklich der präziseste und beste Ausdruck, den ich finden kann? Sehr häufig stellt man dann nämlich fest: Auf Deutsch lässt sich vieles sogar besser ausdrücken. Wie das geht, zeigt Telekom-Chef Tim Höttges, der bei öffentlichen Auftritten tunlichst Fremdwörter und Anglizismen vermeidet. So schafft er es, auf Hauptversammlungen auch über komplexe Themen mehr als eine halbe Stunde lang in verständlichem Deutsch zu sprechen. Nicht umsonst hat ihn die Uni Hohenheim damit zum Vorbild für alle DAX-Konzernchefs gekürt. Wir alle sollten uns ein Beispiel nehmen.

Über die Autorin

Schon als Kind war Journalistin der Traumberuf von Corinna Kreiler. Nach Stationen bei Spiegel Online und der Financial Times Deutschland entschied sie sich allerdings doch für eine Karriere in der PR. Als Head of Editorial Content liebt sie heute die Schönheit der Sprache noch genau wie früher, gibt Tipps und Denkanstöße.