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Hype um BeReal: Mit Authentizität nach oben?

Wir zur Lage der Kommunikation – alles tbd. Heute: Katrin Joppig über die Social App BeReal

Katrin Joppig

Katrin Joppig

Business Director Influencer Marketing

Schon seit Monaten wird die Social-Plattform BeReal gehypt, die mit einer großen Promotion an mehreren Uni-Campussen gestartet ist und in der Nutzer:innen nur einmal am Tag in einem Zeitfenster von zwei Minuten ein Bild posten können. Sie ist in den Top Charts der App-Stores und hat inzwischen über 20 Mio. aktive Nutzer:innen weltweit. Was macht die App so besonders? Wie steht sie zu Influencer:innen? Welche Möglichkeiten entstehen für Marken und warum ist sie bei Nutzer:innen so beliebt?

Die von den beiden Franzosen Alexis Barreyat und Kévin Perreau im Jahr 2019 entwickelte fotobasierte App BeReal  verspricht das Teilen von echten Augenblicken mit den engsten Freund:innen. Ihre Funktionsweise ist simpel: Einmal am Tag bekommen alle Nutzer:innen im selben Moment zu einem willkürlichen Zeitpunkt eine Push-Benachrichtigung mit dem Text: “Time to BeReal” und müssen daraufhin innerhalb von zwei Minuten ihren aktuellen Moment teilen. Der Clou: Sowohl die Rück-, als auch die Frontkamera des Smartphones werden für den Post genutzt und aus den Fotos eine Collage erstellt. Schafft man es nicht innerhalb von zwei Minuten, lässt sich auch im Nachgang ein sogenanntes BeLate posten – hier wird dann jedoch angezeigt, wie viel Minuten oder Stunden später gepostet wurde. Und warum sollte man als Nutzer:in posten? Ganz einfach: Nur wer selbst postet, kann den Content seiner Freund:innen sehen.

Analog zu den etablierten Social-Media-Plattformen lässt sich auch bei BeReal einstellen, ob man seine Fotos öffentlich über einen Discovery Feed für alle Nutzer:innen sichtbar machen möchte oder nur für den eigenen Freund:innenkreis. Darüber hinaus ist es möglich, BeReal-Bilder auf anderen Social-Plattformen zu teilen. Diese Funktion nutzt BeReal, um die Bekanntheit der App zu steigern.

Wie steht BeReal zu Influencer:innen?

Bei BeReal geht es den Gründern nach eigener Aussage um die „echten Einblicke“ in das Leben von Freund:innen und nicht um vorproduzierten, bearbeiteten Marketing Content. Daher nehmen die beiden Gründer in der App-Beschreibung – etwas verallgemeinernd – “Influencer” mit dem Satz aufs Korn: „Wenn du ein Influencer werden willst, kannst du auf Tiktok und Instagram bleiben.“ Ist BeReal also die erste Social-Media-Plattform ohne Influencer:innen?

Natürlich sind auf BeReal auch Influencer:innen unterwegs. Sie nutzen die App jedoch noch hauptsächlich privat. Für viele ist die App ein Spaßfaktor und es bleibt abzuwarten, welche neuen Content-Formate und Funktionen hier noch entstehen werden. Im Moment ist die Plattform darauf ausgerichtet, Content für die eigene Bubble (eine beschränkte Anzahl an 200 Freund:innen) zu kreieren, eine größere Community kann aufgrund von Followerbegrenzungen noch nicht aufgebaut werden.

Durch den starken Fokus auf „Authentizität“ könnte die App aber eine Chance für kleine und mittelgroße Influencer:innen sein, sich hier zu platzieren. Denn bei BeReal ist wie eingangs beschrieben keine Hochglanzproduktion durch ein Content Team, keine aufwändige Content-Nachbearbeitung usw. gewünscht. Vorausgesetzt, die AGBs werden diesbezüglich gelockert, denn aktuell ist es nicht erlaubt, BeReal für Werbe- oder kommerzielle Zwecke zu nutzen.

Welche Möglichkeiten entstehen für Marken auf BeReal?

Eins steht fest: Marken können auf BeReal extrem authentische Inhalte liefern, denn keine andere Social-Media-Plattform fordert momentan Authentizität so stark ein wie BeReal. Brands geht es hier nicht um Reichweite, sondern es geht darum, nahbar zu sein und eine Beziehung zu den Kunden:innen aufzubauen. Durch die App haben die Marken die Chance, ihre Follower in einem sehr privaten Umfeld zu erreichen.

Da noch keine Werbeanzeigen in der App geschaltet werden können, ist die organische Herangehensweise in Form von nativem Content zur Zeit die einzige Möglichkeit, sich hier zu platzieren. Zum Beispiel in Form eines Teasers für einen anstehenden Produkt-Launch, “Behind the Scenes”-Aufnahmen von Produktionen und Events oder sonstige exklusive Inhalte, die Nutzer:innen auf keiner anderen Social-Plattform bekommen.

Die App bringt aber auch einige Herausforderungen für Marken mit sich: beispielsweise bei den Themen Planbarkeit, spontane Umsetzung und Generierung von Content mit Mehrwert.

BeReal hat etwas Verbindendes: Alle fühlen die gleiche Anspannung, zücken ihre Smartphones und teilen ihren Augenblick.

Katrin Joppig, Business Director Influencer Marketing

Warum ist die App bei den Nutzer:innen so beliebt?

Die Sehnsucht nach weniger Perfektionsdruck und der leichte App-Umgang (nur eine Kernfunktion) machen BeReal gerade so erfolgreich. Die Privatsphäre, der enge Freund:innenkreis und die Neugier lassen die Nutzer:innenzahlen der App täglich steigen. Zudem hat BeReal etwas Verbindendes, denn alle Nutzer:innen weltweit erhalten im selben Moment die gleiche Aufforderung, etwas zu posten. Alle fühlen die gleiche Anspannung, zücken ihre Smartphones und teilen ihren Augenblick. BeReal macht also die aktuellen Bedürfnisse der jungen Nutzer:innen deutlich: Sie wünschen sich eine Kommunikation unter Freund:innen, sie möchten weniger Content konsumieren und letztendlich selbst bestimmen, welchen Content sie konsumieren (angezeigt bekommen) möchten – all das bietet BeReal.

BeReal – ist die Social App den Hype wert?

Das Konzept der App ist spannend. Sie bringt Spontaneität und Authentizität in die sozialen Netzwerke, denn sie bringt die Nutzer:innen dazu, aktiv mitzumachen und die App täglich zu nutzen.Fraglich ist, inwiefern Nutzer:innen künftig die seitens der App gewünschte Authentizität leben werden. Denn so erfrischend authentisch es auf der einen Seite ist, verschlafene Gesichter, unordentliche Wohnungen, Treffen mit Freund:innen, den Büroalltag oder einen faulen Abend auf der Couch zu sehen, wäre es etwas naiv zu denken, dass alle Nutzer:innen nur völlig spontane, ungeschminkte Aufnahmen an Ort und Stelle machen. Das Bedürfnis vieler, sich von der besten Seite schön, interessant, spannend und witzig zu zeigen, kann sicherlich auch ein Zeitfenster von zwei Minuten nicht völlig ausschalten. Authentisch, aber bitte nicht langweilig. Authentisch, aber bitte lustig und unterhaltsam. Authentisch, aber bitte perfekt-unperfekt – menschliche Bedürfnisse könnten dem gewünschten Realness-Faktor schnell zuwiderlaufen.

Ob die Kernfunktion der „authentischen“ Momentaufnahmen zukünftig ausreicht, und ob sich Influencer:innen und Marken mit BeReal vermehrt auseinandersetzen werden, entscheidet sich wahrscheinlich in den nächsten Monaten mit dem App-Wachstum. Schafft es BeReal tatsächlich, das gesetzte Ziel von 100 Mio. täglich aktiven Nutzer:innen zu erreichen, werden mit Sicherheit viele Influencer:innen die Plattform testen und Marken anfangen, vermehrt mit der Plattform zu experimentieren. Aufgrund der aktuellen Nutzer:innenzahlen ist die App aber noch keine ernsthafte Konkurrenz zu den großen Plattformen. Dazu kommt, dass die etablierten Player inzwischen auch eine Dual-Camera-Funktion gelauncht haben und die Entwicklung von BeReal genau beobachten und interessante neue Funktionen adaptieren werden. Wir dürfen also gespannt sein, ob sich BeReal dauerhaft als neue Social-Media-Plattform etablieren wird.

Über die Autorin

Katrin Joppig ist Business Director Influencer Marketing und bringt seit knapp 10 Jahren Marken mit Influencern zusammen. Am Münchner Standort von fischerAppelt entwickelt sie mit ihrem Team Influencer-Strategien und Kampagnen für verschiedenste B2B- und B2C-Kund:innen.