Blog

Creator Marketing: Regulierung oder Zensur?

Wir zur Lage der Kommunikation – alles tbd. Heute: Sherwin Sadat Khonsari über die Sinnhaftigkeit von Regulierungen im Influencer Marketing

Sherwin Sadat Khonsari

Sherwin Sadat Khonsari

Business Director Influencer Marketing

In den letzten Jahren hat Creator Marketing eine rasante Entwicklung durchlaufen und ist zu einem wichtigen Bestandteil der Werbelandschaft geworden. Doch während die Branche immer weiter wächst, entstehen auch Fragen nach ihrer Regulierung. Brauchen wir strengere Richtlinien und eine bessere Werbekennzeichnung im Influencer Marketing, gerade auch mit Blick auf bestimmte Nischen wie Finfluencer (= Finance Influencer) und Celebrities?

In Deutschland haben wir bereits 2019 solide Rahmenbedingungen für Werbung im digitalen Raum etabliert. Die Landesmedienanstalten und der Rundfunkstaatsvertrag haben einen Leitfaden erstellt,  der wichtige Regelungen zur Kennzeichnungspflicht auf Social-Media-Plattformen wie Instagram, Facebook, Twitter, YouTube und Snapchat enthält. Diese Regelungen sind darauf ausgelegt, Transparenz und Fairness für die Konsument:innen zu gewährleisten.

Die EU möchte nun noch einen Schritt weiter gehen und fokussiert sich zunächst auf Finfluencer – jene Influencer:innen, die sich auf Content aus dem Finanzsektor und für Finanzinteressierte spezialisiert haben: Und diesmal sind es nicht nur kommerzielle Inhalte, sondern auch die eigentlich nicht werblich motivierten Aussagen, die ins Visier der EU-Kommission  geraten sind. In ihren neuen Plänen zum Schutz von Kleinanleger:innen will die EU-Kommision klare Richtlinien für Finfluencer schaffen, um potenzielle Fehlinformationen und betrügerisches Verhalten einzudämmen.

Wann mehr Regulierung im Influencer Marketing sinnvoll sein kann

Warum dieses Vorhaben durchaus seine Berechtigung hat, zeigen Beispiele wie die des bekannten Komikers Larry David,  der im Februar 2022 für die Kryptobörse FTX geworben hatte, die dann rund neun Monate später bankrott ging. Ebenso problematisch war das öffentliche Befürworten von Kryptowährungen 2021 durch den Schauspieler Matt Damon,  kurz bevor der Bitcoin-Kurs stark fiel.

Gretchenfrage: Wird Creator Marketing besser, wenn wir es noch stärker regulieren?

Auch der Blick nach Frankreich gibt uns einen Eindruck vom Streben nach strengerer Regulierung. Ein kürzlich verabschiedetes Gesetz zielt darauf ab, gegen die Werbung von Influencer:innen vorzugehen.  Die Regelungen sind drastisch und sollen sicherstellen, dass nicht nur kommerzielle Inhalte deutlicher als Werbung gekennzeichnet werden. Auch Bild- und Video-Retuschen sowie den Einsatz von AR- und KI-Filtern sollen Creators und Influencer:innen in Frankreich künftig eindeutig kennzeichnen. Ein ähnlicher Trend zur Regulierung ist auch in anderen europäischen Ländern zu beobachten. Da liegt die Frage nahe: Müssen wir dem französischen Beispiel folgen und übergreifende Gesetze erlassen? Oder reichen uns nach wie vor die Richtlinien des Rundfunkstaatsvertrags der Landesmedienanstalten? Anders: Sind strengere Richtlinien und Kennzeichnungsvorschriften die Lösung? Oder braucht die Branche Freiheit, um sich weiterzuentwickeln?

Kennzeichnung von Werbung im Influencer Marketing: je nach Kontext sinnvoll

Wann Creator Content zum Schutze der Verbraucher:innen als Werbung gekennzeichnet werden muss, ist in Deutschland bereits geregelt. Die Art und Weise der erforderlichen Kennzeichnung des Creator Contents als Werbung hängt vom jeweiligen Kontext ab. Es gibt unterschiedliche Szenarien, die berücksichtigt werden müssen, um die Kennzeichnung angemessen zu gestalten:

  • Wie werblich ist der Beitrag?

  • Handelt es sich um eine objektive Darstellung des Produkts oder werden nur die Vorteile beleuchtet?

  • Wird die Marke oder das Unternehmen gekennzeichnet bzw. erwähnt?

  • Hat der:die Influencer:in das Produkt selbst gekauft?

  • Erhielt der:die Influencer:in kostenlose Produkte von einem Unternehmen?

  • Wurde der:die Influencer:in finanziell entschädigt oder anderweitig belohnt, um das Produkt vorzustellen?

  • Werden Affiliate-Links verwendet und Rabattcodes angezeigt?

Bei der Regulierung gilt: Weniger wirkt mehr! Die Audience will echte Creator Storys, keine überregulierten, sterilisierten Werbebotschaften.

Sherwin Sadat Khonsari, Business Director Influencer Marketing

Ein interessanter Vergleich kann bei der Regulierung von Süßwarenwerbung gefunden werden. In vielen Ländern gibt es strenge Vorschriften, wie Süßigkeiten und Snacks beworben werden dürfen – insbesondere wenn es um Werbung für Kinder geht. Diese Regulierungen sollen den Verbraucherschutz fördern und die Gesundheit der Konsument:innen gewährleisten. Ähnliche Argumente werden auch im Influencer Marketing vorgebracht.

Auf der einen Seite argumentieren Befürworter:innen von mehr Regulierungen, dass klare Kennzeichnungen den Konsument:innen helfen, zwischen Werbung und authentischem Content zu unterscheiden. Sie unterstreichen, dass Influencer:innen eine gewisse Verantwortung tragen, da sie eine große Reichweite und somit erheblichen Einfluss auf Konsument:innen haben. Auf der anderen Seite gibt es Bedenken, dass zu viel Regulierung die künstlerische Freiheit und die Kreativität des Influencer Marketings einschränken könnte.

Aus meiner Sicht führt eine übermäßige Regulierung zur Minderung der Authentizität der Inhalte und kann das Vertrauen der Community negativ beeinflussen. Und das hat nicht nur Auswirkungen auf die Glaubwürdigkeit der Influencer:innen/Creators/Celebs, sondern auch auf die Performance ihrer einzelnen Beiträge. Denn wenn sie zu plakativ und werblich wirken, verlieren die Inhalte an Relevanz und Echtheit. Und Influencer Marketing als Teildisziplin des Digitalmarketings sein Alleinstellungsmerkmal. Die Audience erwartet von Creators und Influencer:innen schließlich echte Geschichten und persönliche Empfehlungen, keine überregulierten und sterilisierten Werbebotschaften.

Influencer Marketing: Der Balanceakt zwischen Regulierung und Kreativität

Während klare Richtlinien und Strafen bei Verstößen dazu beitragen können, potenziell schädliche Aussagen zu reduzieren, sollten sie nicht die Möglichkeit einschränken, fundierte Meinungen und Ratschläge von beispielsweise Finfluencern zu erhalten. Eine angemessene Regulierung sollte sicherstellen, dass Influencer:innen transparent über mögliche Interessenkonflikte informieren und genaue Informationen liefern, ohne jedoch die Vielfalt der Meinungen und den Diskussionsraum zu beeinträchtigen.

Der Fall der Regulierung von Finfluencern zeigt erneut, dass die Debatte über Regulierungen im Influencer Marketing komplex und nuanciert ist. Am Ende des Tages ist es wichtig, eine ausgewogene Lösung zu finden. Regulierungen sollten darauf abzielen, Transparenz zu schaffen und den Verbraucherschutz zu gewährleisten, ohne die Kreativität, den Charme und vor allem die Wirkweise des Influencer Marketings zu ersticken.

Bei der Regulierung gilt: Weniger wirkt mehr!

Ich plädiere für ein angemessenes Maß an Regulierung, das die Bedürfnisse des Influencer und Creator Marketings berücksichtigt. Die bereits bestehenden Rahmenbedingungen für Werbung im digitalen Raum bieten hier bereits eine stabile Grundlage, um faire Bedingungen zu schaffen. Eine übermäßige Regulierung könnte die Entwicklung der Branche behindern und zu einem Verlust an Authentizität und Wachstum sowie erhöhter Frustration der Branche führen. Letztlich sollte das Influencer und Creator Marketing weiterhin Raum für Kreativität und Innovation bieten, während gleichzeitig klare Richtlinien für Transparenz und Kennzeichnung bestehen.

Über den Autor

Sherwin Sadat Khonsari ist Business Director Influencer Marketing bei fischerAppelt und branchenübergreifender Experte für holistisches und integriertes Talent. Als passionierter Popkultur-Fan bringt er eine Mischung aus Out-of-the-Box-Kreativität und strategischem Denken in seine Arbeit ein.