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Zankapfel Autorisierung: So viel Freiheit muss sein

Wir zur Lage der Kommunikation – alles tbd. Heute: Corinna Kreiler über Interviewautorisierungen.

Corinna Kreiler

Corinna Kreiler

Head of Editorial Content

Verhärtete Fronten zwischen Journalist:innen und PR-Abteilungen: Redaktionen beklagen, dass Pressestellen Interviews beim Autorisieren komplett umschreiben. Wie lässt sich dieser Konflikt auflösen? Ein Interview-Knigge.

Es sollte das ganz große Gespräch werden: Das Medienmagazin „journalist“ hatte Ex-Handelsblatt-Boss Gabor Steingart im Herbst 2019 zum Interview geladen, um über die Pläne seiner Firma Media Pioneer zu berichten, an der auch der Axel-Springer-Verlag beteiligt ist. Doch anstelle eines intensiven Austauschs bekamen die Leser:innen des Magazins über mehrere Seiten nur die Fragen an Steingart zu Gesicht – seine Antworten hingegen waren allesamt geschwärzt. Eine Protestaktion, mit der der „journalist“ auf ein landläufiges Problem von Pressevertreter:innen hinweisen wollte: Was im Interview gesagt wird, ändern die Gesprächspartner bei der Autorisierung hinterher einfach vollständig, teilweise sogar die Fragen. Dabei sollte doch eigentlich das gesprochene Wort auf dem Band gelten.

Doch davon ist die Praxis mittlerweile weit entfernt. In Deutschland ist es üblich, dass Gesprächspartner:innen ein Interview oder Zitate zur Freigabe erhalten, ehe ein Text in den Druck geht. Schließlich könnten sich ja Fehler eingeschlichen haben. Hierzulande gängige Praxis, im angelsächischen Raum hingegen absolut unüblich. Wer dort im Gespräch etwas Brisantes fallen lässt, kann das Gesagte nicht mehr einfach zurücknehmen. Dies gilt allerdings auch in die umgekehrte Richtung: Wenn eine Journalist:in eine:n Gesprächspartner:in missverstanden hat, findet das falsche Zitat seinen Weg in die Presse, ohne dass der oder die Zitierte im Vorfeld die Chance bekommen hätte, das klarzustellen. Aus diesem Grund hat sich die Autorisierung in Deutschland als Sicherheitsnetz und Qualitätskontrolle etabliert.

Allerdings dehnen Interviewpartner:innen dieses Mittel immer weiter aus. „So dankbar das Mittel der Autorisierung ist, es birgt doch eine gewisse Missbrauchsgefahr“, meint auch Dirk Benninghoff, Chefredakteur von fischerAppelt, der selbst lange als Journalist tätig war (Financial Times Deutschland, Stern, BILD).

Ein perfekt programmierter Antworten-Roboter kann kein Gespräch führen, das im Gedächtnis bleibt. Doch darum geht es bei der Medienarbeit auch nicht.

Corinna Kreiler, Head of Editorial Content

Wie also kann die Zusammenarbeit von Journalist:innen und PR aussehen, damit beiden Seiten gedient ist? Wir haben dazu ein paar Empfehlungen:



1. Vorab-Fragen? Bitte nicht


In erster Linie sollte die PR behutsam damit umgehen, dass Interviews in Deutschland wie selbstverständlich praktisch immer autorisiert werden. Schon deshalb sollten Pressestellen darauf verzichten, Journalist:innen vorab um Zusendung der konkreten Fragen zu bitten. Durch die Autorisierung gibt es ja bereits einen doppelten Boden, noch ein weiteres Sicherheitsnetz ist überflüssig. 




2. Themen vorher durchsprechen


Was hingegen selbstverständlich sein sollte: Mit Journalist:innen vorab die Themen abzuklären, um die es im Gespräch gehen soll.




3. Interviewpartner:innen, traut euch was!


Grundsätzlich gilt die Empfehlung: Mehr Mut im Umgang mit Medien. Wer sich im Detail auf Antworten vorbereiten will, die er später auch noch korrigieren kann, sollte sich fragen, ob er für ein Interview mit Medien wirklich gewappnet ist. Im Zweifel sollte man das Interview dann lieber gleich ganz sein lassen und an jemanden verweisen, der sich sattelfest fühlt. Ein perfekt programmierter Antworten-Roboter kann kein Gespräch führen, das im Gedächtnis bleibt. Doch darum sollte es doch bei der Medienarbeit eigentlich gehen.

4. Das sind die No-Gos

Absolut vermeiden sollte man, die Möglichkeiten der Autorisierung voll auszunutzen – also Gesprächsverläufe komplett zu ändern, Fragen auszutauschen, in den Vorspann einzugreifen und Headline-Beratung zu betreiben. Denn am Ende steht so ein glatt gebügeltes Ergebnis voller PR-Phrasen, das niemand voller Genuss und Erkenntnis lesen wird.


Auch wenn massive Eingriffe in die Arbeit von Journalist:innen meist in der Absicht entstehen, das eigene Unternehmen in gutes Licht zu rücken: Am Ende passiert genau das, was eigentlich verhindert werden sollte – die Medienarbeit läuft ins Leere.

Über die Autorin

Schon als Kind war Journalistin der Traumberuf von Corinna Kreiler. Nach Stationen bei Spiegel Online und der Financial Times Deutschland entschied sie sich allerdings doch für eine Karriere in der PR. Als Head of Editorial Content liebt sie heute die Schönheit der Sprache noch genau wie früher, gibt Tipps und Denkanstöße.