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Patient Panel

Digitale Therapieoptionen – Von Nähe, Neuland und Nachholbedarf

Eva Weghmann

Eva Weghmann

Managing Director

Die allgegenwärtige und teils berechtigte Kritik an der mangelnden Digitalisierung unseres Gesundheitssystem schlägt sich nicht im aktuellen Verhältnis zwischen Ärzt:in und Patient:in nieder. Telemedizin etwa ist für die Mehrheit der Patient:innen noch kaum ein Thema, sie bevorzugen derzeit das persönliche Gespräch, also den analogen Kontakt mit ihren Ärzt:innen. Allerdings gewinnt die Sprechstunde am Laptop, Tablet oder Handy pandemiebedingt an Bedeutung. Die Bereitschaft, sich digital beraten oder behandeln zu lassen ist jedoch sehr unterschiedlich verteilt. Hier schlägt die Stadt das Land – und es sind vor allem die Jüngeren, die eine höhere Bereitschaft für Telemedizin mitbringen. Das sind die zentralen Erkenntnisse einer Patient:innenumfrage unter 5.000 Menschen in Deutschland, die das Meinungsforschungsinstitut Civey in unserem Auftrag durchgeführt hat.

Ein zentraler Befund: Patient:innen werden immer mündiger, melden sich immer stärker zu Wort. Insgesamt wollen sie viel mehr in Präventions-, Diagnose- und Behandlungsentscheidungen einbezogen und detaillierter über diese aufgeklärt werden.

Persönliche Betreuung und Nähe weit vorn

Die Ergebnisse im Einzelnen: Beim Ärzt:innenbesuch ist das persönliche Gespräch gefragt: 42 Prozent der Befragten wünschen sich, dass ihre Ärzt:innen sich zukünftig mehr Zeit für eine individuelle Betreuung nehmen. Bei Menschen ohne Berufsausbildung ist dieses Bedürfnis sogar noch stärker ausgeprägt, denn hier sind es zwei Drittel, die sich mehr Zeit für Betreuung wünschen. Persönliche und intensive Beratung sowie ein enges Vertrauensverhältnis bleiben somit weiterhin besonders wichtig.

Hohes Wissensbedürfnis Gespräch zwischen Ärzt:in und Patient:in

Im Gespräch mit ihren Behandler:innen fordern 21 Prozent der Befragten ausführlichere Informationen und besser aufbereitete Materialien. Auffällig ist hier, dass sich gerade die Älteren ausreichend gut informiert fühlen, bei den Jüngeren (18- bis 29-Jährigen) aber sogar fast ein Drittel mehr Information bekommen möchte. Hier stellt sich die Frage, ob die gewünschten Inhalte auf den falschen Kanälen transportiert werden. Zukünftiger Content muss die Patient:innen somit noch mehr partizipieren lassen, um das Shared Decision Making stärker zu unterstützen.

Telemedizin: Stadt schlägt Land

In der Umfrage kam gleichzeitig heraus, dass neue digitale Möglichkeiten als Schnittstellen berücksichtigt und besser in die Patient Journeys integriert werden müssen, um Patient:innen lückenlos beraten und betreuen zu können. Gerade die junge Zielgruppe in den Ballungsgebieten zeigt eine hohe Bereitschaft zur Nutzung von digitalen Angeboten. So wünscht sich ein Drittel der 18– bis 29-jährigen Befragten telemedizinische Angebote. Auch im Durchschnitt über alle Altersgruppen hinweg sind es immer noch 20 Prozent. Gravierend ist hingegen der Unterschied zwischen Stadt und Land. Gerade in den Ballungsgebieten favorisiert ein Viertel der Befragten die Telemedizin, wobei man doch gerade hier eine höhere Nutzungsbereitschaft in den ländlichen Regionen erwartet hätte, doch ist diese mit 12,7 Prozent aktuell noch nur halb so hoch wie in den Städten.

Bei der Verbesserung der telemedizinischen Dienstleistungen wird die Qualität der Informationen, aber vor allem auch eine gezielte Vorabberatung und laufende Interaktion mit Patient:innen in Zukunft entscheidend sein. Die kommunikative Herausforderung ist es, auch im digitalen Gespräch die nötige Kompetenz zu vermitteln und vor allem persönliche Nähe und Vertrauen aufzubauen.

Digitale Therapieoptionen: Es fehlt an Orientierung und Anreiz

Überraschend ist das Ergebnis der Umfrage im Bereich der digitalen Therapieoptionen, die über die bisherigen Angebote der Telemedizin hinausgehen. Könnte man annehmen, dass der Digitalisierungsschub durch Corona auch unsere Affinität zu Apps und Features verändert hat, so sind die Befragten eher zurückhaltend, wenn es um das Thema Gesundheit geht. Lediglich 8,6 Prozent wünschen sich eine Beratung zu digitalen Behandlungsmöglichkeiten und nur 9,6 Prozent möchten Apps zur Unterstützung der Behandlung nutzen. Auch hier lohnt sich ein Blick auf das Alter sowie die Wohnsituation. Knapp 20 Prozent der 30- bis 39-Jährigen äußern den Wunsch nach mehr Beratung hinsichtlich digitaler Therapieoptionen und stechen dadurch besonders hervor. Geht es um die Nutzungsbereitschaft von therapieunterstützenden Apps, so ist diese mit über 15 Prozent in den Städten und Ballungsgebieten dreimal so hoch wie auf dem Land.

Nachholbedarf bei digitalen Selbsthilfegruppen

Nur 2,7 Prozent der Befragten halten die derzeit angebotenen digitalen Selbsthilfegruppen für eine passende Alternative zur persönlichen Kommunikation. Es scheint an Orientierung zu fehlen, die über digitale Optionen aufklärt, Vorteile verdeutlicht und Anreize gibt, Neues auszuprobieren. In vielen Bereichen sollte die Möglichkeit des Austausches zwischen Betroffenen und eine direkte Vernetzung mit Expert:innen zum Beispiel über Chat- oder Messengerfunktionen verstärkt werden. Es geht auch hier darum, Betroffenen das Gefühl der aktiven Betreuung und Gemeinschaft zu vermitteln und sie auch in Zeiten von „always on“ nicht vor dem Bildschirm alleine zu lassen.

Alter und Wohnsituation wichtig für Content

Bei allen Fragen zu digitalen Angeboten stechen die signifikanten Unterschiede zwischen den Altersgruppen sowie die markanten Disparitäten zwischen Stand und Land hervor. Soll die Digitalisierung zukünftig die ländlichen Gebiete und hier vor allem die Versorgung der älteren Menschen unterstützen, so wird durch die Befragung deutlich, dass sich eine Schere weit auftut. Generell erfahren digitale Angebote im Gesundheitswesen wenig Aufmerksamkeit genau an den Orten, wo sie am meisten helfen sollen. Daher ist es umso wichtiger, bei der Planung und Durchführung von zukünftigen Kommunikationsmaßnahmen die Inhalte differenziert für Altersgruppen zu denken, aber eben auch unterschiedliche Wohnsituationen mit spezifischen Inhalten zu berücksichtigen.

Als führende Healthcare Agentur  beschäftigen wir uns seit über 20 Jahren intensiv mit den Bedürfnissen von Patient:innen und Ärzt:innen. In Zeiten des Shared Decision Making werden dabei datenbasierte Informationen für eine gute Kommunikation zwischen Patient:innen und Ärzt:innen immer entscheidender. Gemeinsam mit unseren Datenspezialist:innen und Partner:innen bieten wir Einblicke in die aktuellen Entwicklungen des Gesundheitsmarktes  und beantworten in unseren Deep Dive Panels individuelle Fragestellungen zu Krankheitsbildern, Patient:innenzielgruppen oder Meinungsführer:innen. Das alles auf Wunsch auch tagesaktuell und in Echtzeit.