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TV goes Social

Wir zur Lage der Kommunikation – alles tbd. Heute: Rena Alfonsi über die Zukunft der Unterhaltungsmedien.

Rena Alfonsi

Director Social Media

Was machen TikTok, Clubhouse und Co. mit der deutschen Fernsehkultur? Bewegen wir uns geradewegs auf die Fernseh-Apokalypse zu? Ein Gedankenexperiment.

Wenn wir den einen oder anderen mahnenden Expert:innen Glauben schenken möchten, bewegen wir uns geradewegs auf die Fernseh-Apokalypse zu. Mediatheken, Streaming-Dienste, Social-Formate sollen das gemütliche Sofa-Erlebnis mit Unterhaltung nach Zeitplan endgültig ablösen. Und tatsächlich sprechen die Zahlen eine deutliche Sprache: 32 Millionen Deutsche geben mittlerweile an, lieber On Demand zu konsumieren – Tendenz steigend*. Und auch Medienmacher:innen klagen über schwindende Quoten – ähnlich der Print-Branche scheint eine Ära so langsam zu bröckeln.

Man ist gewillt, dem zuzustimmen, insbesondere in Anbetracht der schier aus dem Boden zu sprießen scheinenden Entertainer:innen, die auf TikTok, Instagram und YouTube am Fließband Unterhaltung liefern. Denn der Internet-Erfolg kommt längst nicht mehr nur einigen wenigen auserwählten Influencer:innen mit Wahnsinnsreichweite zugute – eine Heerschar an sogenannten Content Creators tummelt sich im Netz und versorgt die Social-Gemeinde mit kreativen Inhalten. Zum Lachen muss ich also längst nicht mehr „Verstehen Sie Spaß“ oder „Extra3“ einschalten – Slapstick und Satire gibt es jetzt per Wisch und Swipe gemütlich aus dem Handgelenk.

Slapstick und Satire gibt es jetzt per Wisch und Swipe gemütlich aus dem Handgelenk.

Rena Alfonsi, Head of Content Creation

Über die Qualität von Social Web Talkrunden und Reportagen lässt sich streiten

Auch Formate wie Talkrunden, Reportagen und Serien haben den Weg ins Social Web längst gefunden. Über die Qualität lässt sich sicher vortrefflich streiten. Dies lässt sich aber auch über den Tatort, trotzdem gucken ihn nach wie vor Millionen Menschen brav linear.

Linear – Moment, haben wir nicht eben gelernt, dass genau das derzeit den sterbenden Schwan mimt? Werfen wir einen erneuten Blick auf die Zahlen: Knapp 50 Millionen Deutsche schauen nach wie vor täglich Programme im Fernsehen.* Wie kann das zusammenpassen? Das hat den simplen Grund, dass das lineare TV-Erlebnis nach wie vor ganz ursprüngliche Grundbedürfnisse der Menschheit bedient: Es ist die Echtzeitfesselung, die uns vorgaukelt, live dabei zu sein. Steht live am Programm, sind wir fasziniert und wollen bloß nichts verpassen. Dieses Prinzip spricht nach wie vor für starke Quoten, wie zum Beispiel bei „Schlag den Star“ oder „The Masked Singer“. Im Übrigen beides Sendungen von ProSieben – deren Macher:innen haben es insbesondere bei „The Masked Singer” geschafft, die Second-Screen-Gemeinde abzuholen, indem sie ein Voting via App eingeführt haben. Wenn auch keine Social-Plattform, so immerhin digital und in Echtzeit.

Der Mensch im Feierabend will weniger, statt noch mehr Vielfalt

Wir wissen, der Mensch ist träge – und muss dennoch tagtäglich Hunderte von Entscheidungen treffen. Da ist es nur bequem, nach Feierabend einfach mal abschalten zu können und sich darauf zu verlassen, dass die Berieselung mit Seichtem nur zwei Knopfdrücke entfernt ist. Im Übrigen hat eine Umfrage vor zwei Jahren unter Nicht-Netflix-Nutzer:innen genau dies bestätigt: Sich durch die schier unendliche Auswahl an Filmen, Serien und Dokus zu forsten bedeutet für viele Stress. Deshalb wird gerne auf Altbewährtes zurückgegriffen.

Und dann wäre da noch die Gruppendynamik: Nicht umsonst funktioniert seit Jahrzehnten der schon angeführte Tatort wie geschnitten Brot. Pünktlich um 20:15 Uhr versammeln sich im Schnitt 10 Millionen Deutsche* vorm heimischen Fernseher und ärgern sich über die neueste Folge, um dann den Unmut über das abermals verkorkste Drehbuch bei Twitter mit der Gemeinde zu teilen.

Wie lange machen Zuschauer:innen den Multichannel-Wahn noch mit?

Man kann also zusammenfassend sagen: Die Menschen stellen unterschiedliche Ansprüche an die Unterhaltungsmedien, weil sie unterschiedliche Bedürfnisse und Lebensrhythmen haben. Die Unterhaltungsindustrie versucht sich darauf einzustellen – und bringt am laufenden Band spezifische Kanäle und Formate an den Start, um möglichst alle Zielgruppen bedienen zu können. Oder sie versucht auf Krampf die Social- und TV-Welt miteinander zu verknüpfen. Hat man nun also verschiedene Bedürfnisse, ist man gezwungen, sich Folgendes anzuschaffen: Sky für Sport (guckt man ja ab und zu gerne live), Netflix für die tollen Serien (die im TV längst nicht mehr laufen), ah ja Amazon Prime, Joyn, Disney+… Da könnte man lange weitermachen. Ich möchte ja auch jederzeit alle Filme haben. Dann noch TV für die Bequemlichkeit und sämtliche Social-Kanäle, um bloß nix zu verpassen. Fast vergessen: Die Mediatheken aller TV-Sender.

Puh, ist das nun die Freiheit und Bequemlichkeit des Medienkonsums, von der alle sprechen? Ist das die Antwort auf die immer digitaler werdende Zeit? Oder auf die schwindenden Quoten und damit schrumpfenden Werbeeinnahmen der TV-Macher:innen?

In einer Welt, in der Lebensmittel in zehn Minuten geliefert werden, sollte es möglich sein, auch das Thema Unterhaltungsmedien zu simplifizieren.

Rena Alfonsi, Head of Content Creation

Mal angenommen, die ganze Diversifizierung in den verschiedensten Kanälen wäre nicht mehr notwendig. Mal angenommen, es gäbe nicht mehr entweder TV oder Social oder Digital. Mal angenommen, der Fernseher wäre lediglich ein Bildschirm, auf dem ich Inhalte abspielen kann. Ob nun live, On Demand, oder im Social Web. Und mal angenommen, ich könnte auch das Live-Programm der TV-Sender auf dem Smartphone anschauen, ohne mir dafür kostenpflichtige Apps herunterzuladen. Und dann noch angenommen, das alles zusammen gäbe es gebündelt auf einer Plattform – und mein Switch zum nächsten Kanal wäre nur einen Klick entfernt. Ob nun per Fernbedienung, per Mausklick oder Fingerwisch.

Muss sich die bunte Welt der Unterhaltungsmedien stärker konsolidieren?

In einer Welt, in der Lebensmittel in zehn Minuten geliefert werden, oder Geld per Klick an Freunde geschickt werden kann – in dieser Welt sollte es möglich sein, auch das Thema Unterhaltungsmedien zu simplifizieren und nutzerfreundlicher zu gestalten. Denn ja, wir sind alle unterschiedlich – aber wir haben auch keine Lust auf Stress. So sind wir eben, die Generation „Ich will Spaß“.

*Angaben beziehen sich auf Rechercheergebnisse des Tools Best for Planning.

Über die Autorin

Rena Alfonsi ist Head of Content Creation und leitet in Hamburg das Social Media Team. Ausbrechen, Perspektiven wechseln, reinfühlen, nachempfinden, Fragen stellen, nachdenken – seit 10 Jahren beschäftigt sie sich intensiv damit, wie Zielgruppen ticken und weiß daher genau, welche Inhalte das Zeug haben, zu begeistern. Bei fischerAppelt entwickelt sie gemeinsam mit ihrem Team maßgeschneiderte Content Strategien für verschiedenste B2B- und B2C-Kunden. Dabei hilft ihr tatkräftig: Hündin Leni – immer mit dabei.